Bierbotschafterin Sylvia Kopp im Interview

Sylvia Kopp Bierbotschafterin

„Bier ist die Botschaft“ von Sylvia Kopp, Leiterin der Berlin Beer Academy, erfolgreiche Buchautorin, Journalistin, Europabotschafterin der amerikanischen Brewers Association und Biersommeliere. Im HOTEL DE Interview spricht die erfahrene Expertin über ihren Werdegang, den kleinen aber feinen Craft Beer Unterschied und worauf es bei einer Kostprobe ankommt.

Wie wird man Biersommelière / Biersommelier?

Viel trinken! Ich beschäftige mich seit je intensiv mit Bier, ab 2003 als Fachjournalistin, eine entsprechende Ausbildung zur Bier-Sommelière habe ich auch absolviert. Wichtig ist, was man dann daraus macht. Ich habe mir quasi meinen Traumberuf erschaffen: Seit 2007 schreibe, rede und unterrichte ich zum Thema Bier unabhängig, hauptberuflich und international. 2013 habe ich die Berlin Beer Academy gegründet, die Biergenussschule der Hauptstadt. Wir geben Bierseminare für Bierinteressierte und Profis im Handel und in der Gastronomie. Letztes Jahr ist mein „Craft-Bier Buch“ erschienen (englische Ausgabe: „Barley & Hops“), in diesem Jahr bin ich Botschafterin für amerikanisches Craft-Bier in Europa geworden. Biersommelière ist man jeden Tag auf neue Art.

Können Sie uns 3 Tipps nennen, auf die jeder bei der Verkostung von Craft Beer achten kann und sollte?

1. Probieren Sie so viele unterschiedliche Bierstile wie möglich: India Pale Ale, Saison, Hopfenweiße, Milk Stout, Berliner Weiße, Chilibier, Grutbier. Craft-Bier ist Vielfalt, der World Beer Cup, die alle zwei Jahre in den USA stattfindende Olympiade der Biere, zählt über 100 verschiedene Bierstile. So gibt es für jeden Anlass, für jede Situation das passende Bier.

2. Erwarten Sie das Unerwartete, seien Sie offen. Craft-Bier hat Ausdruck und Charakter und ist das Gegenteil von rundgelutschter Massenware. Ein Craft-Bier muss deshalb nicht jedem schmecken, manchmal schmeckt es erst auf den zweiten Schluck. Denn es gibt viele Bierstile, die sehr weit von dem abweichen, was wir Deutschen allgemeinhin unter Bier verstehen. Dazu gehört das erdig-würzige Rauchmärzen aus Bamberg ebenso wie die saure belgische Geuze mit fruchtiger Tiefe.

3. Bei Craft-Bier geht es auch darum, sich zu verbinden: mit dem Brauer, der selbst am Sudkessel und persönlich hinter seinem Bier steht.

Der Genuss eines anspruchsvollen Bieres wird erst dann richtig schön, wenn man erfährt, wer es gebraut hat, was er sich dabei gedacht hat und welchen Aufwand er getrieben hat. Darum sind die neuen Bierfestivals so beliebt, weil dort die Brauer höchstselbst ihr Bier ausschenken und man direkt mit ihnen ins Gespräch kommen kann.

Herkömmliches oder Craft Beer, was sollte man über die Unterschiede wissen?

60 Prozent dessen, was wir in Deutschland trinken, sind Pilsbiere. Pils hat bis dato das Bild vom Bier weltweit geprägt und ist im Zuge der Industrialisierung zum Massenprodukt geworden.

Die meisten Pilsmarken und internationalen Lagerbiere haben sich deshalb einem vermeintlichen Durchschnittsgeschmack unterworfen. Das schmeckt nicht unbedingt richtig schlecht, aber niemals aufregend.

Darum gilt: Wer richtig schöne deutsche Klassik genießen will, sollte zu den Bieren der regionalen Brauereien greifen, die auf einen individuellen Ausdruck im Biergeschmack Wert legen, etwa ein Pils von der Schönramer oder der Alpirsbacher Brauerei, ein Schwarzbier von Störtebeker oder ein helles Festbier wie das Commerzienrat von Riegele.

Wer allerdings was Anspruchsvolles will, Lust auf neue Geschmäcke und „kunstfertig Gebrautes“ hat, sollte zu einem Craft-Bier greifen.

Das kann sogar auch ein Pils sein: Manche Craft-Brauer, wie beispielsweise Wildwuchs aus Hamburg, interpretieren die Sorte neu, wenden neue Hopfentechniken an und verleihen ihr so einen neuen Charakter.

Wo schmeckt Craft Beer am besten? (länderspezifisch)

Craft-Bier ist eine Bewegung von unten, die vor 30 Jahren in den USA begann. Aus Heimbrauern wurden Profis. Mittlerweile ist daraus in den USA eine blühende Branche erwachsen, die das Bild vom Bier auf den Kopf stellt. Dabei sind die Amerikaner immer sehr qualitätsversessen ans Werk gegangen, haben neue Methoden, Stile und Geschmäcke entwickelt. Was das „kunstfertig Gebraute“ anbetrifft, haben die Amerikaner den Europäern 30 Jahre voraus, und das schmeckt man. Das sage ich nicht nur als Botschafterin für amerikanisches Craft-Bier in Europa. Ich bin persönlich einfach hin und weg von einem Left Hand Milk Stout, einem fassgereiften Allagash Curieux und dem extrem-gehopften und extrem-aromatischen Pliny the Elder von Russian River.

Welches Craft Beer können Sie empfehlen?

Aus England gefällt mir zurzeit das ebenso geschmacksstarke wie harmonische Simcoe IPA von The Kernel gut. Das ultraleichte und superaromatische American Dream von Mikkeller aus Kopenhagen hat mich schwer beeindruckt. Birra del Borgo aus der Nähe von Rom bringt mich mit Équilibrista ins Schwärmen: ein superelegantes Hybridbier, gebraut mit Trauben und einer Flaschengärung nach der Champagnermethode. Was Belgien betrifft, so halte ich nach wie vor an dem Trappistenbier Orval fest, es ist kaltgehopft und hat zudem Wildhefen in der Flaschengärung. In Deutschland ziehe ich gerade meinen Hut vor dem Grutbier von Spent Brewers Collective in Berlin. Das ist mit 11 Prozent so samtig wie Likör, kühlend aromatisch, mit Wermut und schmeichelnder Vanille eingebraut – gaaanz ohne Hopfen, aber herrlich kräuterig bitter.

In Ihrem Buch „Das Craft-Bier Buch“ portraitieren Sie Craft Brauer rund um den Globus. Was macht für Sie persönlich das Lebensgefühl dieser Bewegung aus?

Alles dreht sich endlich um das Produkt selbst, das nackte Bier, wie es schmeckt und wie es gebraut ist. Nicht die Marketingabteilung entscheidet, was abgefüllt wird, sondern der Brauer.

Und wir Konsumenten haben eine echte Wahl: Es schmeckt uns oder nicht, wir lassen uns auf etwas Neues ein oder nicht.
Im Grunde genommen ist Craft-Bier die große Einladung an alle, Brauer wie Konsumenten, man selbst zu sein und seinen Horizont immer mehr zu erweitern.

Sie geben außerdem Bier- und Speisetipps mit Küchenchef Christoph Müller. Welches ist Ihr persönlicher Favorit und warum?

Mein persönliches Highlight aus unserer gemeinsamen Arbeit ist der Karpfen blau mit lauwarmem Linsensalat & Tomatenmarmelade, serviert zu Rauchmärzen. Ich mag die vielfältigen erdigen Töne vom Karpfen, von den Linsen und vom Rauchmärzen, die hier miteinander in Resonanz gehen. Die Tomatenmarmelade setzt einen fruchtigen Kontrapunkt und schlägt zugleich eine Brücke zu den süßen Noten des Malzkörpers. Bodenständig und raffiniert zugleich.

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Das Craft-Bier Buch

Texte: Sylvia Kopp

ISBN: 978-3-89955-534-9

Preis: € 35

Hier zu kaufen

Herzlichen Dank für das Interview!

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